Eine kleine Alge als der Jod-Lieferant bei BARF
Die Schilddrüse, die Jodversorgung und die Gabe von Seealgenmehl geben immer wieder Anlass zu Diskussionen zwischen Barfern. Kann nun der Jod-Bedarf der Tiere ausschließlich über die Nahrung gedeckt werden, oder bedarf es einer gezielten Jod-Zufuhr mittels geeigneter Supplemente?
Die Schilddrüse – ein kleiner Exkurs in die Biologie
Jod ist ein essentielles Spurenelement, das der Körper selbst nicht herstellen kann. Es muss daher durch die Nahrung zugeführt werden und wird in der Schilddrüse gespeichert. Jod ist Bestandteil der Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Tetrajodthyronin oder Thyroxin) und zu deren Bildung unbedingt notwendig. Wie ihr Name bereits sagt, enthält Tetrajodthyronin (T4) 4 Jodmoleküle und Trijodthyronin (T3) 3 Jodmoleküle. Beide Hormone regulieren vorrangig den Eiweiß-, Fett-, und Kohlenhydratstoffwechsel. Sie wirken damit auf die körperliche Entwicklung, das Knochenwachstum, die Muskulatur, den Cholesterinblutspiegel sowie den Energiestoffwechsel ein.
Beim Hund kennt man zwei Mechanismen, die zu einer Schädigung des funktionellen Schilddrüsengewebes führen kann. Die häufigste Ursache einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) beim Hund ist die Schilddrüsenentzündung, etwas seltener kommt es zur Schilddrüsenunterfunktion durch eine Autoimmunreaktion (autoimmune Thyreoditis). Eine echte Hypothyreose ist irreversibel und muss lebenslang therapiert werden. Durch die Schädigung der Schilddrüse werden zu wenig Hormone ausgeschüttet und es kommt zu Störungen in vielen Stoffwechselprozessen.
Bei einer Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) werden im Gegensatz zu Unterfunktion mehr Schilddrüsenhormone ins Blut ausgeschüttet als der Körper benötigt. In der Folge laufen sämtliche Stoffwechselvorgänge beschleunigt ab. Es kann zu Herzbeschwerden, starker Nervosität und Gewichtsverlust kommen. Natürliche Ursache ist meist ein hormonproduzierender Schilddrüsentumor. Schilddrüsenüberfunktionen sind beim Hund eher selten. Bei Katzen sind hingegen Unterfunktionen der Schilddrüse sehr selten. Sie leiden viel eher an Überfunktionen der Schilddrüse.
Fütterungsfehler in Form eines Mangels oder einer Überdosierung von Jod können zu einer induzierten Schilddrüsenunter- oder – überfunktion führen. Man unterscheidet diese Fehlfunktionen der Schilddrüse von „echten Hyper- oder Hypothyreosen“, weil sich der Hormonhaushalt des Hundes oder der Katze meist wieder reguliert, sobald die Ursache behoben ist.
Jod-Versorgung bei BARF
Jod wird im Körper zu einem Großteil in der Schilddrüse gespeichert und nur kleine Mengen in Muskeln und anderem Gewebe. Nicht benötigtes Jod wird über den Urin ausgeschieden. In der Natur fressen Jäger den größten Teil ihrer Beute und damit natürlich auch die Schilddrüse und das darin gespeicherte Jod. Wenn man Whole Prey füttert (= ganze Beutetiere), in Form von z.B Kaninchen, nimmt der Hund ebenfalls über das gefressene Schilddrüsengewebe die richtige Menge Jod auf. Eine weitere Zufuhr ist damit nicht nötig.
Da wir bei BARF das Beutetier nachbauen, verwenden wir aus ökonomischen Gründen auch Tierarten, die der Hund/die Katze normalerweise nicht erlegen könnten, wie zum Beispiel Rind, Pferd oder Ziege. Würde man die Schilddrüsen dieser Tiere mitfüttern, wäre die zugeführte Jod-Menge für Hund oder Katze viel zu hoch. Eine Schilddrüse eines 600 kg Rindes deckt den Jahresbedarf an Schilddrüsenhormonen eines mittelgroßen Hundes. Kein Wunder, dass diese riesigen Mengen die Schilddrüse des Hundes ganz schön durcheinander bringen können.
Viel hilft aber nicht immer viel – wie bereits besprochen sind Jod-Überversorgungen genauso schlecht wie ein Jod-Mangel! Deswegen wird davon abgeraten die Schilddrüse bei BARF mit zu füttern. Daher sollte man von der Fütterung von Kehlkopf oder Schlund Abstand nehmen, da auch sie sehr hormonbelastet sind. Auch bei Kopffleisch sollte man aufpassen und es nur in Maßen geben.
Manche Fischarten, wie z.B Seelachs oder Meeräsche enthalten im Gegensatz zu anderen Fischen viel Jod. Es ist aber nicht möglich den Jod-Bedarf der Tiere über die Fütterung von Seelachs zu decken. Der Fischanteil in der Fütterung dient ja der Vitamin D-Versorgung und ist auch auf eine bestimmt Menge limitiert. Seelachs enthält kein Vitamin D und ist somit für diesen Zweck gar nicht geeignet. Bei Tieren mit einer Schilddrüsen-Problematik sollte man keinen Seelachs füttern, da die Tiere oft sehr langwierig auf die Medikamente eingestellt werden und man da keine Schwankungen möchte.
Fisch kommt also nicht in Frage und im restlichen Muskelfleisch, den Knochen und Innereien der BARF-Ration ist der Jod-Gehalt auch gering. Da man so den Jod-Bedarf nur zu etwa 5% decken könnte, muss man gezielt Jod über geeignete Zusätze (wie z.B Seealgenmehl) zuführen.
Aber ist jetzt Seealge gleich Seealge? Nein!
Chlorella oder Spirulina sind bezüglich der Jod-Versorgung die falschen Algen! Sie verwendet man für andere Zwecke.
ASCOPHYLLUM NODOSUM, ist DIE jodhaltige Seealge! Sie ist eine wild wachsende Braunalge die bis zu mehreren Metern lang werden kann. Die Algen sind in der Lage, Spurenelemente in ihren Zellen anzureichern, dazu gehört auch das Jod. Der Jod-Gehalt in den frischen Algen schwankt natürlich und ist unter anderem vom Erntezeitpunkt der Alge abhängig. Man möchte Jod aber in gleichbleibenden Mengen zuführen, da die Schilddrüse auf größere Schwankungen empfindlich reagieren könnte.
Daher ist es wichtig ein Seealgenmehl zu kaufen, das eine definierte Menge an Jod enthält. Angegeben wird der Jod-Gehalt in mg Jod/kg oder Prozent und sollte einen Wert darstellen und keinen Bereich. (500 mg Jod/kg oder 0.05% Jod jedoch nicht 300-1000 mg Jod/kg)
In manchen Fällen kann aufgrund von Unverträglichkeiten keine Seealge gefüttert werden und man braucht geeignete Alternativen. Hierfür eignen sich Jod-Tabletten aus der Apotheke mit deklariertem Jod-Gehalt. Die Dosierung sollte bei Seealge und Jod-Tabletten genau auf den Bedarf des Tieres berechnet werden.
Aufpassen muss man bei unbedingt bei Mineralstoff-Mischungen und Kräutermischungen, da diese sehr oft Seealgenmehl in nicht deklariertem Umfang enthalten. Solche Produkte sollte man NICHT nutzen. Auch eignet sich Seealgenmehl NICHT zur Zahnpflege aufgrund der bei diesen Produkten angegebenen Fütterungsempfehlung!
Bei Tieren mit Erkrankungen, besonders der Schilddrüse, muss immer individuell entschieden werden, in wie weit man Jod abdeckt.
Richtige Berechnung des Jod-Bedarfs
Der Jod-Bedarf eines ausgewachsenen Hundes liegt nach NRC bei 29,6 µg pro Kilo metabolisches Körpergewicht am Tag (kg0,75) und bei Welpen bis zur 16. Lebenswoche bei 61 µg. Für Junghunde gibt es keine Bedarfswerte – hier empfiehlt sich die Berechnung nach dem zu erwartenden Endgewicht oder bezogen auf die Futtermenge (wie angegeben im BARF-Buch von Nadine Wolf).
Der Jod-Bedarf einer ausgewachsenen, gesunden Katze liegt bei 35 µg pro Kilo metabolischer Körpermasse (kg0,67 ), bei Kitten sind es 93 µg.
Die metabolische Körpermasse wird deshalb verwendet, da der Bedarf nicht proportional zum Körpergewicht steigt. Ein 20 kg Hund braucht nicht doppelt soviel Jod wie ein 10 kg Hund.
Berechnung für erwachsene Hunde
Man errechnet zuerst einmal den Jod-Bedarf des Hundes. Die empfohlene Zufuhr für Jod nach NRC 2006 beträgt wie gesagt 29,6 µg pro Kilo metabolisches Körpergewicht am Tag (kg0,75).
Berechnung des metabolischen Körpergewichts eines 15 kg Hundes: 150,75 = 7.62 kg sind sein metabolisches Körpergewicht Berechnung des Jod-Bedarfs: = 7,62 x 29,6 µg = 225,5 µg/Tag, 1579 µg/Woche Berechnung der notwendigen Seealgenmehlmenge: Das Seealgenmehl hat z.B einen Jod-Gehalt von 480 mg/kg (das bedeutet 480 mg Jod sind in 1000 g Seealgenmehl) Schlussrechnung: (0.225 mg x 1000 g) durch 480 mg = 0.47 g 0.225 mg (225,5 µg) Jod sind somit in 0.47g Seealgenmehl/Tag, oder 3.29g/Woche
Dank Schlussrechnung alles keine Zauberei! 🙂 Es gibt aber auch Online-Rechner, die das für einen übernehmen! Diese Rechner gelten jedoch nur für erwachsene Hunde!
Berechnung für erwachsene Katzen
Die empfohlene Zufuhr nach NRC 2006 beträgt 35 µg Jod pro Kilo metabolisches Körpergewicht bei erwachsenen Katzen am Tag (kg0,67 ).
Berechnung des metabolischen Körpergewichts einer 4kg Katze: 40,67 = 2.53 kg metabolisches Körpergewicht Berechnung des Jod-Bedarfs = 2.53 x 35 µg = 89 µg/Tag, 620 µg/Woche Berechnung der notwendigen Seealgenmehlmenge Mein Seealgenmehl hat wieder einen Jod-Gehalt von 480 mg/kg Schlussrechnung: (0.089 mg x 1000 g) durch 480 mg = 0.18 g 0.089 mg (89 µg) Jod sind somit in 0.18 g Seealgenmehl/Tag, oder 1.28 g/Woche
Für Katzen muss man den Bedarf händisch berechnen, da es noch keinen Online-Rechner gibt.
Wie setzt man das im BARF-Alltag um?
Die täglichen Mengen an Seealgenmehl sind ja klein und sollten möglichst genau gegeben werden. Da man das nicht auf der Küchenwaage einwiegen kann, braucht man für diesen Zweck sogenannte Briefwaagen oder Feinwaagen.
Da die Schilddrüse ein sehr empfindliches Organ ist, sollte man das Seealgenmehl täglich geben oder zumindest die Wochenmengen auf 4 Tage verteilt. Damit man nicht jeden Tag wiegen muss, kann man das Seealgenmehl in Monats-Medikamentendosen vorportionieren.
Für ganz kleine Hunde bieten sich auch Salzstreuer an, in die man die Wochenmenge einfüllt und jeden Tag etwas über das Futter streut. Bei Katzen mischt man die notwendige Menge meist direkt ins Komplettfutter.
Überprüfung der Jod-Versorgung
Da der Körper den Nährstoff nicht selbst bilden kann, muss er genauso wie Eisen und Zink über die Nahrung aufgenommen werden. Um sich vor einem Jodmangel zu schützen, legt sich der Körper einen Jodspeicher an. Für mehr als die Hälfte des aufgenommen Jods ist die Schilddrüse Speicherort, 25% werden in den Muskeln, der Rest in verschiedenen Körperbestandteilen gespeichert. Nicht benötigtes Jod wird über den Urin ausgeschieden.
Es macht daher wenig Sinn den Jod-Gehalt im Blut zu bestimmen, um Rückschlüsse auf die Jod-Versorgung zu ziehen. Beim Menschen gibt es eine Jod-Untersuchung über eine Urin-Probe, dies wird aber bei Tieren bisher noch nicht gemacht. Daher ist es unbedingt notwendig, die Jod-Versorgung der Tiere über die Fütterung richtig zu berechnen oder berechnen zu lassen.
FAZIT
Jod ist ein lebenswichtiges Spurenelement, welches in vielen Prozessen den Körpers benötigt wird. Ohne Jod ist die Schilddrüse nicht in der Lage die Schilddrüsenhormone T4 und T3 zu produzieren. Da der Körper Jod nicht selbst produzieren kann, muss man es unbedingt über die Nahrung zuführen. Ein Jodmangel- oder -überschuss kann langfristig zu Schilddrüsenfunktionsstörungen führen.
Den Jod-Bedarf der Tiere kann man über die NRC-Bedarfswerte ermitteln. Weder mit Fisch, Fleisch, Blut oder jodiertem Salz ist es jedoch möglich den Jod-Bedarf der Tiere über das Futter zu decken. Daher setzt man bei BARF die jodhaltige Seealge Ascophyllum nodosum ein. Wichtig bei der Zugabe von Seealge ist unbedingt nur Produkte zu verwenden, die einen kontrollierten Jodgehalt besitzen. Dadurch ist es möglich genau jene Menge zu füttern, die das Tier braucht.