Unser Leben mit multiresistenten Bakterien

Unser Leben mit multiresistenten Bakterien

In den letzten Tagen ging eine Woge durch die BARF Community. Nach einer Untersuchung des Lebensmittelinstituts der Uni Zürich, bei der in BARF-Menüs multiresistente Keime/Salmonellen nachgewiesen wurden und mehrere Zeitungsartikel dieses Thema aufbereitet haben, herrscht nun zum Teil sehr große Unsicherheit.

Was wurde getestet? Die Uni Uni Zürich hat 51 Proben fertig gemischte BARF-Menüs getestet und in 3,9% der Fälle (2 Proben) Salmonellen nachgewiesen. In in 62,7% der Fälle (~ 32 Proben) wurden unterschiedliche Bakterien gefunden, die gegen die gängigen Breitband-Antibiotika resistent sind. 2 dieser Stämme waren auch bereits gegen Reserve-Antibiotika resistent.

Hier der Link zur Studie: https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.191170#d3e2599

Von welchen Bakterien sprechen wir da überhaupt?

Multiresistente Erreger (MRE) sind Bakterien, die unempfindlich gegenüber der Wirkweise der meisten Antibiotika gworden sind. Diese erworbene Unempfindlichkeit (Resistenz) ist eine biologische Eigenschaft, die fix im Erbgut dieser Bakterienstämme verankert ist und bei ihrer Vermehrung auch weitergegeben wird. Als Multiresistenz bezeichnet man in der Medizin eine Form der Antibiotik-Resistenz, bei der die Bakterien bereits gegen mehrere, verschiedene Antibiotika unempfindlich geworden sind. 

Zu den wichtigsten MRE gehören Methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA), Extented Spectrum Beta Lactamase (ESBL) bildende Enterobakterien und einige weitere Gram-negative Bakterien.

MRSA-Keime (Multi-resistente Staphylococcus aureus) können Wundinfektionen verursachen und sind vor allem als sogenannte „Krankenhauskeime“ für viele Todesfälle in Krankenhäusern verantwortlich. MRSA befinden sich etwa bei einem Drittel aller Menschen auch auf Haut und Schleimhaut, insbesondere der Nase, ohne dass Krankheitssymptome auftreten.

ESBL-bildende Keime dagegen produzieren das Enzym Extended Spectrum Beta-Lactamase (ESBL), das viele wichtige Antibiotika unwirksam macht. Diese Resistenzen werden besonders bei den Enterobakterien beobachtet, zu denen u. a. Salmonellen und E. coli aber auch Klebsiellen gehören. Über das Vorkommen von ESBL-tragenden Bakterien beim Menschen gibt es wenig repräsentative Untersuchungsergebnisse. Bisher ist nicht bekannt, wie oft der Kontakt oder die Besiedelung mit ESBL-tragenden Bakterien beim Menschen zu einer Erkrankung geführt hat. In den meisten Fällen wird der Mensch die Besiedlung mit diesen Keimen gar nicht bemerken, da diese Bakterien harmlose Darmbakterien sind. Sie gehören aber auch zur natürlichen Keimflora von Lebensmitteln sowohl tierischer als auch pflanzlicher Herkunft.

Wie entstehen diese multiresistenten Keime?

Eigentlich waren und sind Antibiotika ein Segen für die Menschheit, denn sie bekämpfen schwere bakterielle Infektionskrankheiten wie Lungen- oder Hirnhautentzündung. Fehler beim Umgang mit Antibiotika (verkürzte Einnahmedauer, zu geringe Dosis) oder das übermässige/überflüssige Verschreiben von Antibiotika (z.B bei Viruserkrankungen), führen dazu, dass immer mehr Bakterien resistent geworden sind. Das bedeutet, dass gewisse Antibiotika ihnen nichts mehr anhaben können.

Bakterien sind aber sehr anpassungsfähig und wahre Überlebenskünstler. Sie vermehren sich sehr schnell und in großer Zahl. Dabei können spontan Veränderungen im Erbgut der Bakterien auftreten. Manche dieser Veränderungen (Mutationen) lassen Bakterien mit der Zeit unempfindlich gegenüber den eingesetzten Antibiotika werden. 

Hinzu kommt der massenhafte Einsatz im Tierstall, vor allem bei der Aufzucht von Schweinen und Geflügel. In der Nutztierhaltung werden in Deutschland und Österreich ungefähr doppelt so viele Antibiotika eingesetzt wie in der Humanmedzin. Teilweise greift man leider sogar auf die gleichen Wirkstoffe zurück, was die Gefahr der Unwirksamkeit dieser Antibiotika noch verstärkt. Der Einsatz von Antibiotika ist vor allem in der Massentierhaltung üblich, weil sich Krankheiten bei der Haltung von vielen Tieren auf engen Raum schnell verbreiten. Deshalb wird oft die ganze Herde mit Antibiotika über das Trinkwasser behandelt, auch wenn nur einzelne Tiere erkrankt sind. 

Besonders besorgniserregend ist der Einsatz von sogenannten Reserveantibiotika der Humanmedizin in der Massentierhaltung. Diese sind von besonderer Bedeutung für die Therapie erkrankter Menschen und sollen nur zum Einsatz kommen, wenn die Standardantibiotika keine Wirkung mehr zeigen.

Aber betrifft dieses Problem nur BARF?

Immer wieder zeigen Untersuchungen, dass Fleisch mit antibiotikaresistenten Keimen belastet sein kann. So fanden beispielsweise der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) und die Stiftung Warentest im Jahr 2015 in Puten-, Rind- und Schweinefleisch sowohl MRSA-Keime als auch ESBL-bildende Keime. 

Vor fünf Jahren untersuchte Prof. Fritz Titgemeyer (Professor für Lebensmittelmikrobiologie auf der Fachhochschule Münster) mit seinen Mitarbeitern Salat und Gemüse aus Deutschland, darunter Gurken und Tomaten, Kartoffeln und Sprossen. Dabei kam heraus, dass etwa die Hälfte der Produkte solche multiresistenten Keime beherbergte. 

Erst im Sommer wurden Kauartikel für Hunde aufgrund von Salmonellen zurück gerufen.

Die Problematik der multiresistenten Keime in/auf Lebensmitteln ist also nicht nur ein Problem bei BARF, sondern betrifft den Menschen in seinem gesamten Umfeld!

Das Gremium für biologische Gefahren (BIOHAZ) der EFSA ( Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) hat festgestellt, dass Lebensmittel zwar durch MRSA kontaminiert sein können, es aktuell jedoch keinen Nachweis dafür gibt, dass der Konsum oder die Handhabung von mit MRSA-kontaminierten Lebensmitteln zu einem erhöhten Risiko führt sich auch tatsächlich zu infizieren. Dieses Gremium hat auch festgehalten, dass es keine spezifischen Studien gibt, in denen die, von verschiedenen Kleintierarten und Pferden ausgehenden, Risiken für Infektionen beim Menschen bewiesen wurden.

Es sind nur sehr wenige Fälle bekannt, bei denen die Infektion mit MRSA ihren Ursprung tatsächlich in einer Nahrungsquelle hatte. Am ehesten kann tatsächlich rohes Fleisch als Überträger von MRSA wirken. In dem rohen Fleisch unterschiedlicher Tierarten können sich kleine Mengen der Bakterien finden. Eine größere Menge an MRSA-Bakterien findet man aber sehr selten und auch nur unter ganz bestimmten Bedingungen.

Die Übertragung von MRSA über Lebensmittel ist also theoretisch möglich, die Wahrscheinlichkeit jedoch verschwindend gering.

Was also tun?

Prinzipiell muss gesagt werden, dass Lebensmittel und natürlich auch Fleisch NIE keimfrei sind. Das stellt aber für Mensch und Tier mit gesundem Immunsystem kein weiteres Problem dar. Die körpereigene Immunabwehr kommt sehr gut und schnell mit „Eindringlingen“ zurecht. Für Personen mit einem geschwächten Immunsystem (Kinder, Schwangere, kranke Menschen) ist die Gefahr generell erhöht, nicht nur in Bezug auf multiresistente Keime. Auch Personen in fleischverarbeitenden Betrieben kommen natürlich vermehrt mit Rohfleisch in Berührung.

Auf Qualität achten

Natürlich kann man die Kontamination mit (multiresistenten) Keimen mit freiem Auge nicht erkennen. Was man tun kann, ist auf die Qualität des Fleisches zu achten. Je mehr das Fleisch bearbeitet wird, desto mehr Kontaminationsquellen wurde das Fleisch ausgesetzt. Die Bakterienlast in gewolftem Fleisch ist somit wahrscheinlich höher als in stückigem Fleisch. Fertige BARF-Menüs (wie in der Studie untersucht) werden aus verschiedenen Komponenten zusammen gemischt. Ein weiterer Herstellungsschritt.

Man kann darauf achten, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wurde und auch das Auftauen des Fleisches unter optimalen Bedingungen abläuft. Da Bakterien sich bei über 20°C immer schneller vermehren, sollte man das Fleisch langsam im Kühlschrank in einem Temperaturbereich von 5-8°C auftauen. Dabei das Anschneiden der vakuumierten Packungen nicht vergessen! Aufgeblähte Packungen deuten auf die Vermehrung von gasbildenden Bakterien hin – dieses Fleisch nicht mehr verfüttern!

Hygieneregeln einhalten

Beim Umgang mit rohen Fleisch (Zerteilen, Portionieren) muss man immer die gängigen Hygieneregeln beachten.

  • ein Kontakt zwischen dem rohen Fleisch und verzehrfertigen Lebensmitteln müssen bei der Lagerung und der verarbeitung vermieden werden
  • Hände und Küchenutensilien, wie Messer und Schneidbretter, sollten sofort nach Kontakt mit rohem Fleisch gründlich mit warmem Wasser gewaschen und abgetrocknet werden
  • tiefgefrorenes Fleisch mit geöffneter Verpackung im Kühlschrank auftauen
  • die Arbeitsfläche kann nach dem Verarbeiten des Fleisches noch desinfiziert werden

Dieses Küchen 1×1 gilt nicht nur für BARF-Fleisch sondern für jeglichen Umgang mit Fleisch, auch für Fleisch aus dem Supermarkt! Wenn man diese Hinweise beachtet und auch befolgt, kann kann die Ansteckung mit MRSA-Bakterien weitgehend ausgeschlossen werden.

Nadine Wolf und Ute Wadehn haben diesbezüglich auch sehr lesenswerte Artikel geschrieben!

Artikel von Nadine Wolf

Artikel von Ute Wadehn

FAZIT

Leider sind wir heutzutage neben den „normalen“ Bakterien auch von multiresistenten Bakterienstämmen umgeben. Das hat der Mensch durch fehlerhaften Umgang mit Antibiotika selber angerichtet. Diese Bakterien finden sich mittlerweile auf allen möglichen Lebensmitteln und bevölkern unser Umfeld. Sie sind daher nicht ein Problem, dass nur Barfer betrifft, sondern jeden einzelnen Menschen.

Es ist für einen gesunden Menschen sehr unwahrscheinlich durch diese Keimezu erkranken, da der Körper mit seiner gesunden Immunabwehr mit fremden Keimen kurzen Prozess macht. Durch einen vernünftigen Umgang und eine entsprechende Hygiene kann man das Risiko zusätzlich minimieren.

Kranke und geschwächte Menschen müssen generell im Umgang mit Lebensmitteln aber auch in ihrem Alltag viel vorsichtiger sein, da ihr Immunsystem anfälliger ist.

Bevor man Angst hat und unsicher ist, sollte man sich immer sehr gut informieren, diese Informationen objektiv bewerten und dann entscheiden, wie man weiter verfährt. Also kein Grund zur Panik!

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