Baustelle Darm – sanieren und aufbauen
Der Darm ist eigentlich das größte Organ im Körper. Trotzdem führt er aber noch immer ein Schattendasein und man bemerkt ihn erst, wenn er auf einmal nicht mehr so zuverlässig funktioniert wie gewohnt.
Zu den Hauptaufgaben des Darms zählt die Gewinnung von Nährstoffen aus dem Futter, die Verdauung der Nahrung, Ausscheiden von Unverdaulichem und die Produktion von Energie für den Körper. Viele wissen auch nicht, dass die Darmschleimhäute der Sitz des größten Immunsystems im Körper sind! Damit der Darm diese wichtigen Aufgaben bewältigen kann, beherbergt er eine große, bunte Gesellschaft: tausende Arten von Bakterien besiedeln den Darm und unterstützen die Verdauungsarbeit.
Ein Ungleichgewicht in dieser gesunden Darmflora kann die Ursache vieler Krankheiten sein, denn durch zu viele schädliche Bakterien oder Pilze im Darm wird das natürliche Gleichgewicht im Darm gestört und viele Abläufe im Körper funktionieren dann mit der Zeit nicht mehr so gut.
Eine Darmsanierung oder Darmaufbau kann dann helfen, das Gleichgewicht im Darm durch verschiedene gezielte Maßnahmen langsam wiederherzustellen und so die Verschiebung der Darmflora zu beseitigen, damit der Darm wieder seinen Aufgaben nachkommen kann.
Was ist denn die Darmflora überhaupt?
Das im Darm die Gesundheit liegt, kommt nicht von ungefähr. Weiß man doch mittlerweile, dass im Darm 100 Billionen Mikroorganismen wohnen, die einen wesentlichen Beitrag für das Immunsystem leisten. Auch ca. 80 Prozent der Immunzellen des Körpers befinden sich im Darm. Die Gesamtheit der dort lebenden Mikroorganismen nennt man die Darmflora.
Wie in der Natur, siedeln sich auch in diesem Ökosystem Darm jene Mikroorganismen an, für die die besten Bedingungen bestehen. Im Idealfall sind das ca. 2000 verschiedene Bakterienarten. Sie alle profitieren voneinander und von den Bedingungen in ihrem sehr speziellen Lebensraum. Die Zusammensetzung der Darmflora ist von der Fütterung des Tieres, der Lebensweise, Erkrankungen und schädlichen Stoffen, die aufgenommen werden, abhängig. Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist dabei aber auch immer individuell wie ein Fingerabdruck.
In jedem Ökosystem ist die Artenvielfalt ganz besonders wichtig. Für den Darm bedeutet das, dass hier möglichst viele verschiedene erwünschte Darmbakterien gute Lebensbedingungen finden sollen. Dadurch kann sich der Darm schnell vorübergehenden Veränderungen anpassen, ohne dabei Schaden zu nehmen, da selbst wenn einige Bakterienstämme durch bestimmte Lebensumstände leiden, andere Bakterien in einer stabilen und artenreichen Darmflora diese Funktion übergangsweise übernehmen können.
Welche Aufgaben haben Darm und Darmflora?
An allererster Stelle der wichtigen Aufgaben steht natürlich die Verdauungsfunktion. Das Futter wird aufgeschlossen und die Nährstoffe im Darm aufgenommen, sodass sie dann im Körper genutzt werden können.
Der Darm ist aber auch wesentlicher Bestandteil des Immunsystems. Mit seiner riesigen Oberfläche stellt der Darm die größte Kontaktfläche zu Stoffen aus der Außenwelt dar, die für den Körper auch potentiell gefährlich sein könnten. Daher schützt sich der Körper mit einer Barriere und stationiert 80% der Immunzellen im Darm, um feindliche Stoffe so rasch wie möglich abfangen zu können.
Das Ökosystem im Darm ist ein sehr komplexes Gefüge, welches aber auch schnell aus dem Gleichgewicht kommen, wenn zu viele ungünstige Faktoren auf es einwirken.
Wodurch kommt es zu einem Ungleichgewicht der Darmflora?
Die genaue Zusammensetzung der Darmflora unterliegt auch bei unseren Hunden und Katzen einem ständigen Wandel, da sich die Fütterung und Lebensweise unserer Tiere auch über ihr Leben immer wieder verändert.
Eine Veränderung der Fressgewohnheiten kann bedingen, dass sich die Zusammensetzung der Darmflora ändert. Es macht da z.B einen Unterschied in der Darmflora, ob das Tier Trockenfutter bekommt oder mit frischem Futter gefüttert wird. Gerade eine sehr zuckerreiche Fütterung liefert Pilzen wie beispielsweise der Hefe Candida albicans optimale Vermehrungsbedingungen. Umgekehrt lieben Clostridien Fett und tierisches Eiweiß. Das stellt nicht gleich ein großes Problem dar, denn all diese Keime sind ja auch Teil einer gesunden Darmflora – sie dürfen nur nicht die Oberhand bekommen.
Auch Infektionserkrankungen können dazu führen, dass sich bestimmte Mikroorganismen vermehrt ausbreiten und dabei andere Arten verdrängen. Ein Beispiel für eine drastische Veränderung der Darmflora ist die Behandlung mit Antibiotika. Dabei geht im Normalfall nicht die gesamte Darmflora zugrunde, sie wird jedoch sehr stark beeinträchtigt. Dadurch bekommen auf einmal robuste Bakterien wie Clostridium difficile, ihre Chance. Sie vermehren sich nach den Behandlungen ungebremst in der durch die Antibiotika geschwächten Darmflora und das Gleichgewicht im Darm verschiebt sich auf einmal.
Bei unseren Tieren kann aber ebenso dauerhafter Stress ein Auslöser für ein Ungleichgewicht in der Darmflora sein.
Die Darmbakterien können kleine Störungen ihres Lebensraumes im Normalfall kurzfristig gut verkraften. So kommt es durch kurze Durchfallepisoden nicht gleich zu einer schweren Schädigung der Darmflora. Dauern die schädlichen Einflüsse jedoch zu lange an, kann es mit der Zeit zu einer Veränderung des Milieus im Darm oder Schädigungen der Darmschleimhaut kommen. In dieser Folge können sich schädliche Keime ausbreiten und die „guten“, nützlichen Mikroorganismen verdrängen. Diesen Zustand nennt man Dysbiose.
Wie zeigt sich eine gestörte Darmflora?
Wenn das Ökosystem im Darm gestört ist, kommt es sehr häufig zu Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. Auch Schäden in der Darmschleimhaut, z.B. das sogenannte „Leaky-gut-Syndrom“, Futtermittelunverträglichkeiten, die Entstehung von Allergien und chronische Darmerkrankungen können die Folge einer Dysbiose sein.
Da diese Symptome und Erkrankungen das Tier natürlich negativ beeinflussen und die Lebensqualität mindern, muss man versuchen die Darmprobleme wieder in der Griff zu bekommen. Mit einer gezielten Darmsanierung will man das Gleichgewicht im Darm langsam wiederherstellen, damit das Ökosystem Darm seine wichtigen Aufgaben wieder richtig erfüllen kann.
DIE DARMSANIERUNG – Wiederherstellung des Gleichgewichts im Darm
Damit man überhaupt weiß, was im Darm des kranken Tieres los ist, sollte man immer abklären ob das Tier Parasiten oder Giardien hat und kann vor einer Darmsanierung auch einen Darmflora-Check durchführen lassen. Dabei lässt man die Zusammensetzung der Darmflora, den pH-Wert und den Gesundheitszustand der Darmschleimhaut untersuchen. Danach weiß man, welche Mikroorganismen sich im Darm gerade wohl fühlen, welche fehlen oder welche eventuell in zu großer Menge vorhanden sind.
Da die Darmflora recht individuell zusammen gesetzt ist, muss man die Befunde vorsichtig interpretieren. Auch stammen viele Referenzwerte bisher noch aus dem Humanbereich – auch das muss man im Hinterkopf behalten. Ein Überschuss an pathogenen Keimen zeigt jedoch schon, dass im Darm etwas nicht ganz rund läuft und man versuchen muss, diese wieder los zu werden.
Als Darmsanierung wird oft fälschlicherweise die Gabe von einem Probiotikum über einen kurzen Zeitraum von 2-3 Wochen bezeichnet. Spätestens wenn man das Präparat wieder absetzt, ist der kurzfristige Erfolg aber oft wieder dahin und die Probleme kommen zurück.
Das ist ja auch kein Wunder, denn der Darm braucht Zeit, um sich zu regenerieren. Schäden, die oft über einen langen Zeitraum entstanden sind, können nicht in kurzer Zeit wieder behoben werden. Den Darm kann man nicht ruhig stellen, wie einen gebrochenen Arm – im Darm ist immer was los. Hier braucht es vor allem Zeit, Geduld und einen langen Atem.
Durchführung der Darmsanierung
Eine Darmsanierung besteht meistens aus 3 Stufen und zieht sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen und auch Monaten.
- Schritt 1: Reinigung des Darms
- Schritt 2: Verbesserung des Darmmilieus durch Optimierung der Verdauung und Gabe von Präbiotika (= Nahrung für die guten Darmbakterien) und Eliminierung der „schädlichen“ Mikroorganismen
- Schritt 3: langsamer Aufbau der Darmflora
SCHRITT 1: DIE DARMREINIGUNG
Damit die Darmsanierung funktioniert und sich die guten Darmbakterien wieder im Darm ansiedeln können und wollen, muss man einen guten „Mutterboden“ im Darm für sie bereitstellen. Je nach Befund arbeitet man in dieser Phase mit unterschiedlichen schonenden Mitteln:
- Flohsamenschalen
- Huminsäuren (z.B Sobamin)
- Bentonit oder Zeolith
- Heilerde
Mit diesen Hilfsmitteln können Gallensäuren, Giftstoffe, abgestorbene Darmschleimhautzellen und ungünstige Darmbakterien entsorgt werden. Es bildet sich eine Schutzschicht auf der Darmschleimhaut, Toxine werden gebunden und man kann Einfluss auf den pH-Wert im Darm nehmen. Mit Hilfe dieser Schutzschicht kann sich das Darmepithel langsam erholen, neu bilden und die Darmschleimhaut regenerieren.
SCHRITT 2: VERBESSERUNG DES DARMMILIEUS
Nach der Reinigung des Darms sollte man das Milieu im Darm verbessern, damit sich die guten Darmbakterien auch nachhaltig wieder im Darm ansiedeln wollen.
Bitterstoffe spielen in dieser Phase eine große Rolle, da sie die Produktion der Verdauungssäfte anregen. Ergänzend gibt man meistens Präbiotika über die Fütterung wie z.B Inulin, damit die Darmbakterien gut versorgt werden und sich pudelwohl fühlen. Die Faserstoffe in der Fütterung sind ebenso wichtig, da sie Nahrung für die Darmbakterien darstellen.
Sollte der pH-Wert im Darm/Kot in einem ungünstigen Bereich gewesen sein, muss man daran arbeiten, diesen wieder in einen physiologischen Bereich zu bekommen. Huminsäuren helfen zum Beispiel, wenn der Kot zuvor viel zu basisch war und sich ungünstige Bakterien angesiedelt haben, die eine alkalische Umgebung bevorzugen.
SCHRITT 3: „WIEDERAUFFORSTUNG“ DER DARMFLORA
Zum Abschluss der Darmsanierung bekommt das Tier dann bestimmte Produkte mit lebensfähigen Bakterienkulturen, die sogenannten Probiotika. Diese enthalten verschiedene Bakterienstämme, wie etwa Milchsäurebakterien( Bifidobakterien und Lactobacillus acidophilus), aber auch Escherichia coli und Enterokokken. Diese Bakterien sind nicht dafür gedacht, sich im Darm anzusiedeln, sondern sie übernehmen über den langen Weg des Darmaufbaus wichtige Aufgaben im Darm, bis sich die Darmflora erholt hat und diese Aufgaben langsam wieder übernehmen kann.
Die letzte Phase dauert mit Abstand am längsten und sollte auch bewusst längerfristig durchgezogen werden. Die Darmschleimhaut regeneriert und baut sich wieder auf. Es braucht dann Zeit bis sich die guten Darmbakterien wieder im Darm ansiedeln und auch stabil dort bleiben. Das gesamte Konstrukt im Darm ist am Anfang noch recht instabil und es kann auch durchaus mal zu Rückschlägen kommen. Erst mit der Zeit bauen sich Darmschleimhaut und Darmflora so stabil wieder auf und bilden eine Einheit, die dann auch negativen Einflüssen wieder besser standhalten kann.
Dieser Vorgang des Darmaufbaus dauert oft mehrere Monate, manchmal Jahre, in denen es auch immer wieder zu Rückschlägen kommen kann. Davon darf man sich nicht frustrieren lassen, sondern man muss dranbleiben und weitermachen. man merkt mit der Zeit, wie die Rückschläge seltener werden und man sie auch besser/schneller wieder in den Griff bekommt.
Die Dauer richtet sich auch danach, wie stark die Darmflora des Tieres vorab beeinträchtigt war und auch was die Ursachen für die Dysbiose waren. Hier braucht es nun wirklich Durchhaltevermögen und Geduld ist ein großer Teil des Erfolgs. Denn nicht selten scheitern Darmsanierungen, weil man bei den ersten Rückschlägen sofort wieder die Strategie ändert und dadurch erst recht wieder Unruhe in den Darm bringt.
In schweren Fällen sollte man für die Durchführung der Darmsanierung und der Auswahl der notwendigen Produkte einen Tierarzt, Tierheilpraktiker oder entsprechend ausgebildeten Tierernährungsberater ins Boot holen, der anhand des Befundes eine Anleitung für das Tier zusammenstellt und den Tierhalter über die Zeit des Darmaufbaus begleitet.
FAZIT
Lange Zeit wurde dem Darm wenig Beachtung geschenkt. Doch mittlerweile nehmen der Darm und seine Gesundheit auch bei unseren Tieren eine sehr wichtige Position ein. Der Darm wird mittlerweile nicht mehr nur als Verdauungsschlauch gesehen, sondern seine Gesundheit entscheidet über das Wohlbefinden unserer Tiere.
Es gibt immer mehr Hinweise und Beweise dafür, dass viele gesundheitliche Beschwerden bei Hunden und Katzen durch ein Ungleichgewicht im Darm bedingt sind. Immer mehr Tiere zeigen nämlich Unverträglichkeiten, Allergien, Durchfall oder andere Magen/Darm-Erkrankungen. Nicht selten liegt ein Teil der Ursachen in einem Ungleichgewicht in der Darmflora und einer geschädigten Darmschleimhaut.
Genau hier setzt die Darmsanierung an, denn bei der Darmsanierung wird über einen längeren Zeitraum versucht, das Gleichgewicht der Darmflora wiederherzustellen. Damit dies auch Erfolg zeigt, muss man aber immer gezielt vorgehen, die Darmsanierung individuell auf die Problematik des Tieres abstimmen und vor allem viel Geduld aufbringen. Denn was über einen langen Zeitraum zerstört wurde, kann nicht in 2-3 Wochen wieder gesundwerden. Hier braucht es einfach Zeit, denn die Zeit heilt alle Wunden.